
Wie bleibt ein Stromnetz stabil?
Das europäische Stromnetz arbeitet mit einer Frequenz von 50 Hertz (Hz). Damit es stabil bleibt, müssen Stromerzeugung und -verbrauch jederzeit im Gleichgewicht sein. Wenn dieses Gleichgewicht gestört wird – beispielsweise durch plötzliche Verbrauchsspitzen oder einen unerwarteten Ausfall einer großen Erzeugungsanlage – greifen Mechanismen zur Stabilisierung.
Dafür stehen drei zentrale Regelreserven zur Verfügung:
FCR – Frequency Containment Reserve
(Primärregelung)
FCR ist die erste Verteidigungslinie des Stromnetzes. Sie reagiert innerhalb von Sekunden auf Frequenzschwankungen und gleicht diese automatisch aus. Diese Reserve wird dezentral bereitgestellt, das heißt, alle teilnehmenden Kraftwerke, Batteriespeicher oder große Verbraucher gleichen die Abweichung gleichzeitig aus, ohne dass eine zentrale Steuerung nötig ist.
Praktisches Beispiel:
- In einem Industriegebiet fällt plötzlich ein großes Kraftwerk aus. Dadurch sinkt die Netzfrequenz unter 50 Hz, weil weniger Strom eingespeist wird, als verbraucht wird.
- Batterien oder große Industrieverbraucher, die an der FCR teilnehmen, reagieren innerhalb von Sekunden und liefern zusätzliche Energie bzw. reduzieren ihren Verbrauch, um die Frequenz wieder auszugleichen.
aFRR – Automatic Frequency Restoration Reserve
(Sekundärregelung)
Während die FCR nur eine kurzfristige Notfallreaktion ist, setzt die aFRR gezielt innerhalb weniger Minuten ein, um das Netz in seinen normalen Zustand zurückzubringen. Hierbei werden flexible Kraftwerke, Batteriespeicher oder steuerbare Industrieprozesse automatisch durch den Übertragungsnetzbetreiber gesteuert, um Über- oder Unterversorgung auszugleichen.
Praktisches Beispiel:
- Der Strombedarf steigt während der Mittagszeit schneller als erwartet. Die Netzfrequenz sinkt allmählich auf 49,9 Hz.
- Die Netzleitstelle aktiviert automatisch zusätzliche Stromerzeuger (z. B. Gaskraftwerke oder Wasserkraftanlagen), um den fehlenden Strom bereitzustellen.
- Gleichzeitig können große Stromverbraucher wie Kühlhäuser ihre Leistung kurzfristig reduzieren, um den Verbrauch auszugleichen.
mFRR – Manual Frequency Restoration Reserve
(Tertiärregelung)
Stabilisierung bei größeren oder länger anhaltenden Störungen innerhalb von 5-15 Minuten
Die mFRR wird manuell durch den Übertragungsnetzbetreiber aktiviert und kommt zum Einsatz, wenn das Ungleichgewicht im Netz über einen längeren Zeitraum besteht oder besonders groß ist. Hier werden gezielt zusätzliche Kraftwerke hochgefahren oder größere Verbraucher gezielt gesteuert, um den Stromfluss anzupassen.
Praktisches Beispiel:
- Ein starker Sturm führt zu einer massiven Einspeisung aus Windenergie, während gleichzeitig die Stromnachfrage sinkt. Die Netzfrequenz steigt auf 50,2 Hz.
- Um eine Überlastung des Netzes zu vermeiden, gibt der Netzbetreiber die Anweisung, einige Windparks in der Region vorübergehend abzuregeln (Curtailment).
- Gleichzeitig könnten Pumpspeicherkraftwerke aktiviert werden, um überschüssige Energie aufzunehmen.
Netzstabilität in Deutschland
Deutschland verfügt über eines der stabilsten Stromnetze weltweit. Die Netzarchitektur ist auf das sogenannte (n-1)-Kriterium ausgelegt: Fällt ein zentrales Element wie eine Leitung oder ein Kraftwerk aus, bleibt das Netz weiterhin stabil, weil Ersatzkapazitäten bereitstehen.
Die Übertragungsnetzbetreiber greifen auf ausgefeilte Regelenergie-Mechanismen zurück und haben strenge Vorgaben für die Betriebssicherheit. Gerade angesichts der stärker schwankenden Einspeisung durch erneuerbare Energien wird auch gezielt in Netzverstärkung und intelligente Steuerung investiert. Der Stromausfall in Spanien und Portugal am 28. April 2025 - ausgelöst durch massive Frequenzabweichungen – zeigt, wie entscheidend solche Sicherheitsmechanismen sind.

Netzstabilität als Chance
Förderung von dynamischen Tarifen
Die Bundesregierung fördert zunehmend dynamische Stromtarife, um die Flexibilität im Stromverbrauch zu stärken. An sonnigen Tagen mit viel Windenergie ist der Strom oft besonders günstig, weil eine Überproduktion entsteht. Wer auf dynamische Preise setzt statt auf starre Tarife, kann davon profitieren. So wird Netzstabilität nicht nur zu einer technischen Notwendigkeit, sondern auch zu einer echten wirtschaftlichen Chance.
Ein stabiles Stromnetz ist nicht nur entscheidend für die Energiewende, sondern kann Unternehmen damit auch wirtschaftliche Vorteile bieten. Mit den richtigen Strategien können sie aktiv zur Stabilisierung beitragen – und gleichzeitig Kosten sparen oder neue Einnahmequellen erschließen.

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